Zeitungsartikel im WochenSpiegel zur Ausstellung in der
Sprungbrett Galerie Potsdam vom 20.02.2020
Ein Interview von Kathrin Behrens
Der Rausch der Tiefe
Die Künstlerin Vera Oxfort hat im Kunstverein Neues Atelierhaus Panzerhalle ihr Atelier eingerichtet / Wenn die Einfarbigkeit lebendig wird
Unsere Welt ist schnell geworden. Eiligen Schrittes rennen wir durch unser Leben, den Blick auf unsere Smartphones gesenkt, nehmen vieles kaum mehr wahr. So bleibt uns auch Schönes am Rande unseres Alltags immer häufiger verborgen. Doch es gibt Künstler, die Menschen belohnen, die noch innehalten können. Die Berlinerin Vera Oxfort ist eine von ihnen.
Vera Oxfort konfrontiert den Betrachter beim ersten Hinsehen mit einfarbig erscheinenden Flächen. Wer achtlos weiter geht, sieht auch nichts anderes als ein monochromes Bild in oft eigenwillige Farben. Wer jedoch bereit ist, länger vor diesen zu verweilen, wird reich beschenkt: Mit dem ruhenden Blick bekommen Oxforts Bilder etwas Hypnotisches, dem bei aller Friedlichkeit der Oberfläche eine provokante Tiefe eigen ist.
Die Einfarbigkeit wird lebendig, die Fläche beginnt mit dem Betrachter zu atmen. Das alles ist kein Zufall, sondern eine Wirkung, auf die die Künstlerin hinarbeitet: "Mir ist der Moment wichtig, an dem jemand irritiert wird, weil er realisiert, dass etwas mit ihm passiert." Sie erreicht dieses Ergebnis mit einer eigens entwickelten Technik, bei der sie mit der einen Hand intuitive Linien zeichnet, während die andere Hand das Gezeichnete schon wieder übermalt. Schicht um Schicht legt sie Zeichnung und gemalte Fläche übereinander, bis die Linie ganz in der Fläche aufzugehen scheint, unter der Oberfläche aber immer noch spürbar existiert. Oxfort: "Meine Intention ist es, die Ebenen im Bild so lange zu verweben, bis die zwar nicht mehr zwingend sichtbar, dafür spürbar bleiben."
Die Vita der Künstlerin ist international: in Rio de Janeiro geboren, in Zürich aufgewachsen, zog es Oxfort 2004 nach Potsdam, wo sie heute im Kunstverein Neues Atelierhaus Panzerhalle ihr Atelier eingerichtet hat. Ihr beruflicher Weg führte sie über den Beruf als Goldschmiedin und Schmuckdesignerin, den sie in vierter Familien-Generation ausübte, schließlich zur bildenden Kunst und zum Studium an der Akademie für Malerei in Berlin, das sie als Meisterschülerin von Andreas Amrhein abschloss.
"Meine berufliche Vergangenheit schwingt auf besondere Weise heute noch mit", erklärt sie. "Wenn ich an einem Bild arbeite, führe ich das fort, was ich als Goldschmiedin gelernt habe. Ich wirke so lange auf die Oberfläche ein, bis sie sich verändert und schließlich an den Punkt der Vollendung gelangt, den ich anstrebe." Und das macht sie auch im opulenten Format - vier mal vier Meter misst eines ihrer Großformate, wobei sie die kleineren Maße stärker fordern: "Ein großes Bild imponiert allein durch seine Größe. Für mich ist es die reizvollere Herausforderung, in einem kleinen Format das Wesentliche einzufangen."
Es sind nicht nur die Malerei mit Leinwand, Öl, Kohle- und Bleistift, für die der Name Vera Oxfort steht. Auch Grafik, Aquarell und Installationen gehören zu ihrem Repertoire. 2014 schuf sie einen Nebelraum, in dem die Besucher sich zu den sichtverschleierten Kunstobjekten tasten. 2019 verwandelte sie im Kunstraum Potsdam die bis unter das Satteldach reichende Glasfront in eine monumentale transluzide Arbeit, geschaffen aus Buttermilch. Bei allem, was Vera Oxforts Handschrift trägt, schwingt immer eines mit: der Wunsch der Künstlerin, den Betrachter seinem Alltag zu entlocken, ihn innehalten zu lassen in einen Bann zu ziehen, in ihren ganz eigenen Rausch der Tiefe.
uh/kb