Abschlusspräsentation vom 9.03.2012, Ansprache von Andreas Amrhein
Entstehen und Verschwinden – die Leinwand als Arena
In Vera Oxforts Arbeit geht es um das Akzeptieren von Hindernissen, verbunden mit der Neugier auf das, was dann entsteht. Ein Satz des Künstlers und Komponisten John Cage lautet: »I welcome everything that comes next.« – Er könnte auch ein Motto für Vera Oxforts Malerei und den spannungsreichen Prozess sein, in dem ihre Kunst entsteht. Sie stellt sich Fallen und arbeitet mit Handicaps: schaffen mit links, ausradieren mit rechts; hintereinander, nebeneinander, gleichzeitig. Vera Oxforts Bilder brauchen vor allem aber Zeit. Zeit in vielfältigem Sinne. Zunächst beanspruchen sie einen aktionsreichen, lebhaften und immer wieder auch konzentrierten Schaffensprozess. Da werden Graphit oder Kreiden in freier Geste auf den Bildgrund aufgetragen, um dann bald – unter Umständen gleichzeitig mit der anderen Hand – wieder weggewischt oder unter erstickender Farbe, beziehungsweise einem dämpfenden Weiß wieder zu verschwinden. So wird die Leinwand zur Arena, zum Kampfplatz, zum Ring: welche Geste wird am Ende noch zu sehen sein, welche Spur der Aktionen wird bleiben? Die Antwort ist einfach, denn alles wird bleiben. Jede Schicht des Auftragens und Verschwindens bleibt spürbar. Es entsteht ein »Energieteppich«, ein sanft pulsierender Farbraum, selbst – oder gerade dann – wenn es sich um beinahe weiße Oberflächen handelt. Die gesamte Energie, die in sie hineingesteckt wurde, entströmt ihnen auch wieder.
Entstanden sind so riesige Bilder in die der Betrachter vollständig eintauchen kann, da sie das gesamte Gesichtsfeld einnehmen. Daneben mittlere und kleine Formate, in denen auf wenig Raum exemplarisch weitere Möglichkeiten erprobt werden. Es geht ihr aber nicht in erster Linie nur um ein rein farbästhetisches Erlebnis, sondern durchaus auch um das Erlebbar-Machen von Gefühlen. Eine der jüngsten Leinwände lässt in ihrer dumpfen Farbigkeit und ihrer lederartigen Oberflächenbeschaffenheit, die sie einem langen Schaffensprozess verdankt, an die speckige Haut von Turngeräten oder heftig traktierten Sandsäcken denken. Fast meint man sogar, die abgestandene Luft einer alten Turnhalle oder muffiger Umkleideräume zu riechen. Und mit dem Eindruck der Oberfläche und den Assoziationen der Gerüche kommen die Erinnerungen an Erlebtes und Gefühltes wieder zutage. Vera Oxfort hat sich stets kritisch mit ihrem Tun auseinandergesetzt und das Erreichte auf professionelle Weise in Frage gestellt. Sie ist immer bereit, etwas Geschaffenes auch mutig zu zerstören. Nicht um des Zerstörens Willen, sondern auf der Suche nach der größtmöglichen Intensität, dem Keim der Kunst.